Zusammenfassung
Die deutsche Buchbranche wird sich langsam dem Potenzial von Daten und KI bewusst. Neugier und der Wunsch, die Technologie und ihre Möglichkeiten zu verstehen, werden sowohl in der Unternehmensleitung als auch bei den Mitarbeitern sichtbar. Die Branche zeigt sich aufgeschlossen für datengetriebene Ansätze, wobei bereits viel Erfahrung (im manuellen Sammeln und Auswerten) von Daten besteht. Es herrscht Unsicherheit darüber, welche KI-Anwendungen zu priorisieren sind, da spezifische KI- und Datenangebote für die Literaturbranche fehlen. Die Auswahl der richtigen Lösungen erfordert eine Kombination aus technischer KI-Expertise und Geschäftssinn. Der Übergang benötigt Zeit, da die Branche an langsame Entwicklungs-Zyklen gewöhnt ist.
Ausgangspunkt
Wir haben Lit-X im Juni 2023 gegründet und im Zuge dessen mit über 50 der führenden deutschen Verlage gesprochen. Wir haben Gespräche mit mehr als 150 Fachexperten in über 300 Stunden geführt. Das Ziel der Gespräche war es, die Bedürfnisse, internen Dilemmata und Betriebsprozesse der Branche kennen zu lernen und zu analysieren. Aus diesem Prozess ist nun Success Analytics, unser aktuelles Kernprodukt entstanden. Success Analytics aggregiert die relevantesten internationalen literarischen Daten und erleichtert datengesteuerte Entscheidungsfindung sowie praktische KI-Unterstützung. Mögliche Anwendungen reichen von internationaler Trendrecherche im Programmmanagement und strategischer Lebenszyklus-Preisgestaltung für den Verkauf bis zur Optimierung der Werbeausgaben im Marketing.
Kompetenter als angenommen
Vor unseren Gesprächen wurden wir von anerkannten Branchenexperten gewarnt, dass es der Branche an der Fähigkeit fehlt, mit Daten und erst recht mit KI umzugehen. Stattdessen sollten wir erwarten, dass eine defensive Haltung eingenommen wird, sobald Datentabellen oder Datenvisualisierungen diskutiert würden. Wir müssten besonders darauf achten, unsere Inhalte auf sehr einfache, leicht verständliche und nicht einschüchternde Weise zu präsentieren.
Diese gut gemeinten Warnungen stellten sich als unnötig heraus. In keinem unserer Gespräche sind wir auf Widerstand gestoßen. Im Gegenteil, trafen wir unglaublich engagierte, interessierte und neugierige Verlagsleute. Selbst wenn es wenig Erfahrung im Umgang mit Daten gab, wurden Fragen gestellt, Zeit wurde investiert und Anstrengungen unternommen, um diese Fähigkeiten zu entwickeln.
Interessanterweise hatten die meisten unserer Gesprächspartner tatsächlich doch schon Erfahrung im Umgang mit Daten. Die Branche ist daran gewöhnt, Daten manuell Stück für Stück zu sammeln, um Entscheidungen zu informieren. Als Lit-X können wir genau hierbei helfen, indem wir das manuelle Daten-Patchwork durch eine vollständige, internationale Datenbasis ersetzten. Wir vereinfachen die Datenanalyse mit professionellen Visualisierungen, machen "Big Data" Datenmengen durch KI zugänglich und lieferten KI-basierte Interpretationsansätze um der neuen Datenbreite und -tiefe gerecht zu werden.
Unsicherheit über die eigenen Bedürfnisse
Während bei Buchverlagen ein grundlegendes Verständnis für KI, Daten und die damit verbundenen Möglichkeiten vorhanden ist, reicht dieses Wissen noch nicht aus, um sich eine klare Meinung darüber zu bilden, was tatsächlich benötigt wird.
Angesichts der Vielzahl von KI-Anwendungen und Angeboten besteht keine Möglichkeit für Buchverlage, Transparenz über den Markt zu erhalten. Sollten sie sich für KI-Chatbots zur Unterstützung entscheiden, für KI-generierte Bücher oder vielleicht KI-generierte Coverbilder (da "letztendlich alles auf das Cover ankommt")? KI kann ebenso bei der intelligenten und strukturierten Metadatenverwaltung sowie bei der Erstellung und Optimierung von Marketingtexten helfen. Andere Anwendungen, wie Success Analytics wie von Lit-X haben ein Literaturspezifisches Angebot. Sie nutzen KI zur Identifkation und Validierung neuer Autoren und Titel, zur Implementierung strategischer und produktlebenszyklus-orientierter Preissetzung, oder zur Vereinfachung der Auswahl geeigneterer von "Book-Influencer".
Die allgemeine Liste der Angebote ist äußerst umfangreich, obwohl es erstaunlicherweise immer noch sehr wenige auf Literatur spezialisierte KI- und Datenangebote gibt.
Um aus diesem Angebot die richtigen, hochwirksamen Lösungen für jeden einzelnen Verlag auszuwählen, ist eine vielschichtige Expertise erforderlich. Die Herausforderung besteht darin, die seltene Kombination aus KI-Expertise in Bezug auf technische Aspekte und eine geschäftlicher Expertise in Bezug auf Wirksamkeit abzudecken.
Diese Schwierigkeit wurde in vielen unserer Gespräche deutlich, wodurch es notwendig wurde, Expertiselücken zu füllen. Wir haben Data Science Expertise und Geschäftserfahrung geteilt, so durch die KI-Landschaft navigiert und dann, auf aufrichtig altruistische Weise (versprochen), bei der Priorisierung von AI-Anwendungen geholfen.
Bei der Priorisierung hatte in der Regel die Wirksamkeit auf das Alltagsgeschäft Vorrang als Kriterium. Zum Beispiel kann die Unterstützung von Trend Scouting durch Daten und KI die Titelauswahl eines Verlags verändern und zu mehr Bestsellern, mehr Titeln mit positiver Rendite, weniger Titeln mit "nur" Break-even Rendite und weniger Titeln mit negativer Rendite führen. Man optimiert letztendlich den Return on Invest des eigenen Bücher-Portfolios.
Nach der Wirksamkeit ist die Leichtigkeit der Implementierung das nächstwichtigste Auswahlkriterium. Externe SaaS oder DaaS (Software / Data as a Service) Tools wie Lit-X Success Analytics können ohne interne IT-Integration implementiert werden, sodass geringe Investitionskosten anfallen, die Wirksamkeit des Tools unmittelbar einsetzt und der Tool-Business-Case schnell positiv wird.
Wir haben in unseren Gesprächen aber auch gelernt, dass es trotz aller sorgfältigen Auswahlprozesse letztendlich vor allem auf den Willen der Organisation ankommt, KI und Daten einzusetzen. Ist die Führung wirklich überzeugt, dass KI und Daten unumgängliche Schritte sind, um die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu sichern, kann eine Einführung sehr schnell gehen. Ohne die nötige Führungsunterstützung, wird es allerdings schwer.
Die Buchbranche braucht Zeit, um sich an KI und Daten zu gewöhnen
Die deutsche Buchbranche ist an langsame Publikationszyklen gewöhnt, die sich an einen bestimmten Rhythmus halten. Dieser Rhythmus steht im starken Kontrast zur schnelllebigen Welt der KI. Während Verlage auf sechsmonatigen Zyklen basieren, in denen Frühjahrs- und Herbstprogramme geplant werden, werden in der KI-Welt wöchentlich, mindestens monatlich, bahnbrechende neue technologische Fortschritte gemacht. Hier Beispiele zu nennen, wäre sinnlos, denn bis dieser Text gelesen wird, wären sie bereits veraltet.
Während wir Verlagen dabei helfen, sich an diese unterschiedlichen Arbeitsrhythmen zu gewöhnen, beobachten wir, wie sie verschiedene (emotionale) Phasen durchlaufen:
- Neugier: "Was könnt ihr tun?" und "Wie funktioniert das?"
- Skepsis: "Was ist, wenn etwas schiefgeht?" und "Aber ich muss das ... immer noch tun, oder?"
- Liebe zum Detail: "Okay, wenn das funktioniert, dann muss ich auch berücksichtigen..." oder "Vielleicht sollten wir uns ansehen, ob..."
- Datenqualität: "Der Preis unterscheidet sich von dem, was ich hier sehe – oh, der ist schon von gestern? Verstehe..."
- Eingeständnis, dass die Branche an schlechte Datenqualität gewöhnt ist: "Intern haben wir drei verschiedene Genre-Strukturen.", oder "Genre-Zuordnungen sind teilweise willkürlich; wir passen sie strategisch an, manchmal ändert Audible die auch einfach.", oder "Ja, von unserem Verlag gibt's 23 Schreibweisen."
- Verständnis: "Also, wenn ich das filtere und die Daten auf diese Weise interpretiere, bedeutet das doch das ..."
- Begeisterung: "Das ist spitze! Ich kann voll gut einsetzen bei mir...", "Kann ich das mal ausprobieren?", "Echt ...? Das geht ...? Wow, find ich gut."
Das Durchlaufen einer jeder dieser Phasen ist entscheidend für die spätere, tatsächliche Adoption von einem Daten- und KI-Tool und sollte nicht überstürzt oder übersprungen werden. Das Überspringen einer Phase würde nur dazu führen, dass ein Konflikt, eine Frage, oder eine Emotion ungelöst bleiben und käme unumgänglich immer wieder an diesen Punkt zurück.
Fazit
Abschließend lässt sich nach unseren 50+ Interviews festhalten, dass deutsche Buchverlage in den Aufbau von Daten- und KI-Kompetenzen und -wissen investieren sollten. Dies eher früher als später. Und eher entschieden, mit dezidierten Kapazitäten, als unentschlossen, mit einem Beauftragen oder Arbeitskreis. Diese Kompetenzen dienen zunächst dazu, die eigene Daten- und KI Roadmap zu entwickeln, und ermöglichen es anschließend, gut informierte und nachhaltige Lösungen zu identifizieren und einzuführen. Da die Branche insgesamt eher langsam ist, stellt dieser Prozess einen wirklichen Scheideweg dar: die Verlage, die jetzt entschieden und klar handeln, werden sich einen kontinuierlich verfestigenden Wettbewerbsvorteil verschaffen. .
Interessante Links:
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